von Sabine Theiding, geprüft von Anna Plümacher, Ökotrophologin (B. Sc.)
Was nach einer seltenen Erkrankung klingt, soll neuesten Forschungen zufolge bis zu 17% der Bevölkerung betreffen: Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine Erkrankung mit sehr vielfältigen Symptomen, die einer Allergie ähnlich sind. Sie bleibt deshalb oft unentdeckt.
Das Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, ist eine Erkrankung, die das Immunsystem betrifft. Eine Überaktivität der Mastzellen, löst die Symptome der Krankheit aus. Die Mastzellen reagieren dann auf Stoffe, die keine echten Bedrohungen für den Körper sind.
Mastzellen sind Zellen unseres Immunsystems. Im Normalbetrieb helfen Mastzellen dabei, Viren, Bakterien oder Allergene abzuwehren. Sie enthalten zahlreiche Botenstoffe (Mediatoren), die bei Bedarf ausgeschüttet werden können, um Entzündungsreaktionen als Immunantwort einzuleiten. Einer dieser Botenstoffe ist Histamin.
Bei einem MCAS liegt allerdings eine Fehlsteuerung der Mastzellen vor, weshalb diese daueraktiv sind und ständig Abwehrreaktionen einleiten, obwohl keine Gefahr vorliegt. Dies führt zu Entzündungsreaktionen im Körper. Es kommt zu unterschiedlichen Symptomen, die oft einer allergischen Reaktion ähneln. Auslöser (sogenannte Trigger) können unter anderem Stress, Lebensmittel, Pollen (Allergene), Düfte oder Alkohol sein.
Wie entsteht das Mastzellaktivierungsyndrom? Die Forschung hat noch lange nicht vollständig geklärt, was die leichte Aktivierbarkeit der Mastzellen verursacht. Es sind mehrere Genmutationen bekannt. Die Krankheit wird also grundsätzlich vererbt. Jedoch spielen Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle dafür, ob diese Gene an- und ausgeschaltet werden (Epigenetik).
Nach heutigem Stand tritt die Krankheit erst im Laufe des Lebens auf und verstärkt sich zum Beispiel:
Es git besonders viele unterschiedliche MCAS Symptome, weil die die Mastzellen eine riesige Bandbreite an Botenstoffen enthalten und besonders viele Funktionen im Körper steuern. Die Symptome sind dadurch wenig eindeutig, weshalb ein MCAS meist lange Zeit unentdeckt bleibt. Die MCAS Symptome ähneln oft einer Allergie, einer Erkältung und einigen Autoimmunkrankheiten.
Zu den Symptomen des Mastzellaktivierungssyndrom zählen:
Es besteht in extremen Fällen die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks. Daher sollten Mastzellenerkrankte immer Notfallmedikamente mit sich führen, wie ein flüssiges Antihistaminikum, flüssiges Cortison oder Adrenalin.
In der MCAS-Forschung wird vermutet, dass folgende Krankheitsbilder durch eine Mastzellaktivierung entstehen:
Dies sind alles Erkrankungen, für die es wenige Therapiemöglichkeiten gibt. Wäre hier ein Mastzellaktivierungssyndrom festgestellt, würde dies Betroffenen neue Therapieoptionen ermöglichen.
Die Diagnose kann nicht einfach gestellt werden, weil Wissenschaftler noch zu wenig über die Erkrankung wissen und nicht alle Ärzte über diese Krankheit informiert sind. Um den Verdacht eines MACS zu bestätigen, kann der Arzt zum Beispiel mit einem Bluttest die Heparin- oder Tryptase-Konzentration messen, die Histaminmetabolite im Urin nachweisen oder besondere Biopsien durchführen.
Abzugrenzen ist bei der Diagnose die sogenannte “Mastozytose”. Die systemische Mastozytose ist eine lang bekannte Erkrankung (siehe Leitlinie), bei der Menschen eine erhöhte Anzahl von Mastzellen haben. Dies ist bei MCAS nicht der Fall. Es liegen nicht zu viele Mastzellen vor, sondern die Mastzellen sind zu aktiv.
Wenn Sie den Verdacht haben, an einem MCAS zu leiden, sollten Sie auf folgende Auslöser achten. Ein Ernährungs- und Symptomtagebuch, das zusätzlich erfasst, was Sie auf die Haut auftragen, machen und und wie es Ihnen geht, hilft sehr dabei, diese Auslöser herauszufinden.
Reagieren Sie auf die genannten Trigger, ist ein MCAS möglich und Sie sollten einen Arzt aufsuchen.
Ziel der Therapie ist es, die hyperaktiven Mastzellen in den Griff zu bekommen. Da die Mastzellen durch bestimmte Triggerfaktoren aktiv werden, gilt es zunächst einmal individuelle auslösende Faktoren zu finden und diese zu meiden.
Aus Erfahrung ist bekannt, dass sich die hyperaktiven Mastzellen durch diese 4 natürlichen Maßnahmen in den Griff bekommen lassen:
Neben den den oben genannten Therapiemaßnahmen helfen Allergie-Tabletten: Ein Kombination aus H1-und H2-Antihistaminika wird als Basistherapie eingesetzt. Je nach Verträglichkeit werden Mastzellstabilisator-Medikamente, wie Cromoglycinsäure eingenommen. In schweren Fälle helfen Leukotrienrezeptorblocker, Interferone und auch Antikörper, wie Omalizumab, gegen die Symptome.
Viele Betroffene fragen sich: Welcher Arzt kennt sich mit dem Mastzellaktivierungssydrom aus? Wohin kann ich gehen, wenn ich den Verdacht habe an MCAS zu leiden?
MCAS betrifft den ganzen Körper. Es gibt daher kein bestimmtes Fachgebiet für diese Krankheit. Jeder Arzt kann MCAS diagnostizieren, also auch Hausärzte. Das Problem ist allerdings, dass vielen Ärzten weiterhin nicht klar ist, dass es diese Krankheit gibt.
Oft sind es Ernährungsmediziner (ein prominentes Beispiel ist Dr. Anne Fleck), Hausärzte, Internisten, Allergologen oder Hautärzte, die sich das Wissen angeeignet haben. Aber auch einige und Heilpraktiker finden sich unter den Spezialisten.
Acht Kliniken in Deutschland sind vom sogenannten European Competence Network on Mastocytosis (ECNM) als Exzellenzzentrum für Mastzellerkrankungen zertifiziert.
Hier finden Patienten Ärzte mit dem besten Wissen über das Mastzellenaktivierungs-Syndrom.
Weitere Kliniken für Mastzellerkrankungen in Österreich und der Schweiz
Weiler et al.: Mast Cell Activation Syndrome: Tools for Diagnosis and Differential Diagnosis, J Allergy Clin Immunol, 2020 Feb
Alle Internetlinks abgerufen am 21. September 2021, letzte Aktualisierung 27.Oktober 2023